Konzert Bruckner und Wagner, 2025

Sams­tag, 05.04.2025, 19.30 Uhr
Con­gress Cen­ter Baden

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Brün­ner Phil­har­mo­ni­ker

Nor­bert Pfaf­fl­meyer, Diri­gent

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© Foto­ate­lier Chris­tian Schörg

Bruck­ner und Wag­ner: unter­schied­lich Klang gewor­dene Wün­sche nach dem Über­ir­di­schen

Die öster­rei­chi­sche Art des auf Erden-Seins ist seit dem Mit­tel­al­ter bis weit ins 20. Jahr­hun­dert in ihrem Wesen drei­fal­tig als ars vivendi, mori­endi et cre­dendi, die Kunst zu leben, zu ster­ben, zu glau­ben. Es ist eine fromme Art des Seins, wel­che ihre eige­nen For­men – die „pie­tas aus­triaca catho­lica“ – aus­bil­det.

In der Bau­kunst äußert sie sich in den baro­cken Stif­ten – etwa in Bruck­ners  St. Flo­rian. Kir­che und Klos­ter wüh­len sich gleich­sam in den Him­mel, die Krypta mit den Begräb­nis­stät­ten – dar­un­ter Bruck­ners Sarg unter sei­ner Orgel – ins  Erd­reich. Beide Rich­tun­gen füh­ren in ein Auf­ge­ho­ben­sein beim Lie­ben Gott.

Ebenso in der Musik: Der kai­ser­li­che Hof­ka­pell­meis­ter Johann Hein­rich Schmel­zer (um 1620–1680) lässt in sei­nen Fun­e­ral­so­na­ten zum Able­ben eines Mit­glie­des der Fami­lie Habs­burg rech­tens zunächst das „Zügen­glö­ckerl“ und die große Trau­er­glo­cke erklin­gen (im schnel­len Piz­zi­cato der Gei­gen und lie­gen­den Tönen der Bässe), aber nach from­men Melo­dien klingt dann bald wie­der und ebenso rech­tens Tanz­mu­sik auf.

Auch im Kos­mos des Joseph Haydn kommt diese drei­fal­tige Kunst viel­fach zu Klang – die Sym­pho­nie Nr. 100 „Mili­tär“ etwa oder das „Kai­ser­quar­tett“ wol­len wohl so gehört wer­den!

Bruck­ner gestal­tete sei­nen Bei­trag dazu schon exem­pla­risch im Finale sei­ner „III.“, wo  als zwei­ter The­men­kom­plex zu einer Polka gleich­zei­tig eine Melo­die im Ges­tus eines geist­li­chen öster­rei­chi­schen Volks­lie­des erklingt. Er hat als jun­ger Volks­schul­leh­rer mit Kir­chen­mu­sik­ver­pflich­tung zwei „Toten­lie­der“ für den Ritus des Abho­lens des Leich­nams aus des­sen Haus kom­po­niert – beide übri­gens in Dur, wie´s der Brauch war!

Seine VII. ist eine der Sym­pho­nien, wel­che Bruck­ner in nur einer Fas­sung hin­ter­las­sen hat. Für die neu­er­li­che Beschäf­ti­gung mit der drei­fal­ti­gen Kunst  des Daseins nimmt Bruck­ner einen neuen Betrach­tungs­ort ein, der ihn ein Werk schaf­fen lässt, wel­ches durch äußerste Kom­pakt­heit – etwa dem kür­zes­ten sei­ner Finali – die Hören­den in den Bann zieht. Auch klang­lich gibt es Neues: Im Orches­ter erst­mals Wag­ner­tu­ben – von Wag­ner für den „Ring“ vor­ge­se­hene Instru­mente, wel­che spä­ter auch Richard Strauss und Béla Bar­tók zu schät­zen wuss­ten. Ja – es geht viel vor in die­ser Sym­pho­nie, wel­che sich ganz andere, schein­bar engere Gren­zen zieht als etwa die „V.“, dann die „VIII.“ – von der „IX.“ gar nicht zu reden. Aber wohl­ge­merkt: Es ist ein ande­rer, aber kei­nes­falls ein bes­se­rer oder schlech­te­rer Stand­punkt!

Im Gegen­satz zu Bruck­ners Moll-Sym­pho­nien  – sind jene in   Dur – die IV. in Es, die V. in B, die VI. in A, jeweils ton­art­li­che Soli­täre – so auch die VII. mit ihrem E‑Dur, einer Ton­art der Tran­szen­denz und in der Sym­pho­nik sehr sel­ten – Haydns Nrn. 12 und 29, ein Frag­ment von Schu­bert, die ein­zige Sym­pho­nie von Bruck­ners Lieb­lings­schü­ler Hans Rott. Von die­sem Ton­ar­ten­cha­rak­ter aus lässt Bruck­ner Gehalt und Form des Wer­kes sich gestal­ten – und erreicht tiefste und höchste see­li­sche Welt­ge­gen­den. Schon im ers­ten Satz geschieht zwei­mal Erstaun­lichs­tes: In den Tak­ten 206–211 spannt sich die aus dem zwei­ten Thema ent­wi­ckelte Cel­lome­lo­die soweit aus, dass sie den Ges­tus des in Öster­reich volks­läu­fi­gen Mut­ter­got­tes­lie­des „Glorwürd’ge Köni­gin“ (wende „Deine barm­her­zi­gen Augen uns zu)“ anklin­gen lässt. Am Beginn der Coda ab Takt 191, erklingt eine Musik, wel­che ihre melo­di­sche Sub­stanz zwar aus dem zwei­ten Teil des Haupt­the­mas bezieht, aber in der Har­mo­ni­sie­rung und mit dem Orgel­punkt ein Zitat aus Bruck­ners ers­ter voll­gül­ti­ger Messe, jener in    d‑moll  (1864) ergibt: Aus deren „Credo“, Takt 175–183 auf die Worte „judi­care“, dem gläu­bi­gen Bekennt­nis, dass Jesus wie­der­kom­men wird, um die Leben­den und die Toten zu rich­ten. Erst danach kann das Haupt­thema – vor­erst –  noch­mals sei­nen Glanz ent­fal­ten.

Der zweite Satz ent­hält in der Coda jene Musik, wel­che Bruck­ner nach eige­ner Angabe im Ein­druck von Wag­ners Tod geschrie­ben haben soll. Dies äußerte er auch sei­nem Schü­ler, dem Phi­lo­so­phen und Psy­cho­lo­gen Maria Chris­tian Leo­pold von Ehren­fels gegen­über, der jedoch erwi­derte: „Aber Meis­ter, das haben sie mir doch schon vor Mona­ten gespielt! Bruck­ner schien den Wider­spruch, in irdi­schen Daten aus­ge­drückt, gar nicht zu mer­ken; sein Gefühls­le­ben bewegte sich auf einer Ebene, die der Zeit ent­rückt war. Es war eben eine Ahnung, sagte er, als sei das die selbst­ver­ständ­lichste Sache der Welt.“

Zwei­mal wech­selt die­ser Satz in den ¾‑Takt, in wel­cher eine Melo­die – allem ent­ho­ben – sich  aus­singt und aus einem beschei­den sich ver­bor­gen hal­ten­den drei­stim­mi­gen Satz zu unge­zwun­gen-frei­es­ter Poly­pho­nie auf­blüht – eine stille Offen­ba­rung höchs­ten Kön­nens.

Und Bruck­ner, der „Ober­ös­ter­rei­chi­sche Most­schädl“, beherrschte selbst­re­dend pro­fund die Kunst, auf dumme Fra­gen noch düm­mere Ant­wor­ten zu geben, wel­che dann als authen­tisch geglaubt und wei­ter­ge­ge­ben wer­den; so etwa auf jene, wie ihm denn das Thema des Scher­zos ein­ge­fal­len sei, die­ses rhyth­misch mar­kant nur mit den Tönen E und A spie­lende Gebilde. Der Kom­po­nist, um eine Erwi­de­rung nicht faul, spricht von einem St. Flo­ria­ner Hahn und des­sen Kike­riki. Aller­dings geht sich der glo­riose Schrei erst ab dem drit­ten Ton aus. Was wäre dem­nach mit dem ers­ten und zwei­ten? Zudem: Wie sich ein musi­ka­li­scher Hahn meis­ter­lichst zu Ton mel­det, das weiß ein musi­ka­li­scher Mensch seit Joseph Haydns „Jah­res­zei­ten“. Da geht nichts dar­über. Also wozu sich noch­mals mit einem sol­chen Viech ein­las­sen? Einem inti­men Kreis hat Bruck­ner intim-berüh­ren­des anver­traut, näm­lich: Dass sein ver­stor­be­ner Freund Ignaz Dorn ihm im Traum das Thema dik­tiert habe. Und dies viel­leicht gar – hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand – mit einer def­ti­gen Bos­heit in Rich­tung  des Lieb­lings­fein­des, des Kri­ti­kers Edu­ard Hans­lick. Es passt rhyth­misch haar­ge­nau, was sich der Kom­po­nist viel­leicht wirk­lich ange­sichts des Unver­ständ­nis­ses die­ses Herrn so gedacht haben mag – sit venia verbo: Hans-lick  –  leck mich im Arsch.

Für das Finale ist jener Kose­name ange­bracht, den Bruck­ner auf seine „I.“ ange­wen­det hat: „Keckes Bes­erl“.  Zu beden­ken ist, dass ein „Bes­erl“ etwas Her­zi­ges ist, ein zärt­li­cher Vater kann sein Töch­ter­lein so nen­nen. Keck ist die Vor­schrift für die Strei­cher „auf der Spitze“ zu spie­len alle­mal. Dafür darf das zweite Thema in aller Frei­heit durch den Gar­ten der Har­mo­nien lust­wan­deln – gelei­tet von der väter­li­chen Hand Bruck­ners. Und all das führt dazu, dass am Ende nichts ver­lo­ren geht: Das Gesche­hen mün­det ganz logisch und nun in aller Strahl­kraft in die E‑dur-Tran­szen­denz des Sym­pho­nie­be­gin­nes, das dort ganz leise erklin­gende Thema nun in der Pracht des gan­zen Orches­ters den Schluss­punkt set­zen las­send.

Als Dmit­rij Schost­a­ko­witsch 1937 seine „V.“ schreibt – angeb­lich sein Bekeh­rungs­stück zu den Idea­len des Sozia­lis­ti­schen Rea­lis­mus –  da vari­iert er im 1. Satz die zweite The­men­gruppe der­art, dass dar­aus ein Zitat aus Bruck­ners „VII.“ wird.  Der  den­ke­risch völ­lig anders aus­ge­rich­tete  Russe, seit Kind­heit mit Bruck­ner ver­traut, lässt hören, mit wem er sich wirk­lich ver­bun­den fühlt. Sapi­enti sat.

Dass Bruck­ners „VII.“ in der­sel­ben  Grund­ton­art wie die Ouver­ture zu Richard Wag­ners „Tann­häu­ser“ steht – näm­lich in E‑dur – dies macht hör­bar, dass beide ganz wesent­lich die  jewei­lige Cha­rak­te­ris­tik einer Ton­art zu nut­zen wuss­ten. E‑dur ist seit der Barock­zeit jene der Tran­szen­denz, der Such einer Ver­bin­dung mit dem Gött­li­chen. Die Pil­ger­weise, wel­che die Hör­ner gleich zu Beginn des Vor­spie­les anstim­men, was ist sie denn ande­res als der zu Klang gewor­dene Wunsch nach die­sem Eins­sein mit dem Gött­li­chen? Was Wag­ner die­sem schlich­ten Lied gegen­über­stellt, die Musik aus dem Venus­berg, das kommt dann in der Tat ganz aus einer Wunsch­vor­stel­lung und deren ande­ren Logik her­aus: har­mo­nisch flir­rend, rhyth­misch vibrie­rend und melo­disch alle ver­füh­re­ri­schen Mit­tel anwen­dend, vom chro­ma­ti­schen Lust­schrei bis hin zur ver­füh­re­risch schmei­cheln­den  Inti­mi­tät sind die Ingre­di­en­zien die­ser Musik aus der Ber­ge­s­tiefe. Der­glei­chen Ein­deu­tig­kei­ten hat es bis dahin so gut wie nicht gege­ben. Kein Wun­der, dass die musi­ka­li­sche Welt auch in Öster­reich höchst unter­schied­lich reagiert hat: Franz Grill­par­zer mit schrof­fer Ableh­nung, Bruck­ner, der die Oper in Linz gehört hat mit Begeis­te­rung. Dem hoch­mu­si­ka­li­schen Johann Nes­troy war Wag­ners Werk so bedeut­sam, dass er eine köst­li­che Par­odie dar­auf schrieb – ein Zei­chen der Wert­schät­zung allent­hal­ben, denn einen Schmarrn kann auch ein Sati­ri­ker wie Nes­troy nicht par­odie­ren.

Johan­nes Leo­pold Mayer