tritonus Baden: Konzert Oktober 2024

Sams­tag, 12. 10. 2024, 19.30 Uhr
Con­gress Cen­ter Baden

Cor­ne­lia Horak, Sopran
Megan Kahts, Alt
Robert Bart­neck, Tenor
Wolf­gang Bankl, Bass

Phil­har­mo­nia Chor Wien (Ein­stu­die­rung: Wal­ter Zeh)

Phil­har­mo­ni­sches Orches­ter Györ

Nor­bert Pfaf­fl­meyer, Diri­gent

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Rest­kar­ten an der Abend­kasse

Con­gress Cen­ter Baden; Kai­ser Franz Ring 1; 2500 Baden

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Zwi­schen Lob und Trost, Angst und Glau­bens­ek­stase

O(mnia) A(d) M(ajorem) D(ei) G(loriam) = Alles zur höhe­ren Ehre Got­tes; die­sen jesui­ti­schen Kern­satz schrieb Anton Bruck­ner über die Par­ti­tur sei­nes „Te Deum“. Er, der Fromme, machte spar­sa­men Gebrauch von jenen Initia­len; nur vier sei­ner Werke belegte er mit die­sem Motto. Wenn man bedenkt, dass Joseph Haydn fast alle seine Kom­po­si­tio­nen – geist­li­che wie welt­li­che wohl­ge­merkt –  zu Beginn mit „In nomine Domini, di me Giu­seppe Haydn“ und am Ende mit „Laus Deo“ hand­schrift­lich unter den Segen Got­tes stellte, so mag Bruck­ners dies­be­züg­li­che Zurück­hal­tung eini­ger­ma­ßen ver­wun­dern. Nun, an der Glau­bens­fes­tig­keit der bei­den gro­ßen, der katho­li­schen öster­rei­chi­schen Geis­tes­hal­tung ent­stam­men­den Kom­po­nis­ten ist in kei­ner Weise zu zwei­feln; Bruck­ner nimmt hin­sicht­lich der Bestim­mung sei­nes Wer­kes  sogar Bezug auf ein Gleich­nis Jesu, näm­lich jenem von den Talen­ten, die Gott jedem über­gibt, auf dass der also beschenkte Mensch damit „wuchere“ (Evan­ge­lium nach Mat­thäus 25, 14–30 und nach Lukas 19, 22–27).

„Wenn es ein­mal so weit ist, dann werde ich Gott mein ‚Te Deum‘ hin­hal­ten – und er wird mir hof­fent­lich ein gnä­di­ger Rich­ter sein“ – so der Meis­ter selbst.

Was hat dem­nach der hoff­nungs­voll glau­bende Bruck­ner sei­nem Herr­gott zu bie­ten? Der Text, ein Hym­nus des spät­an­ti­ken Bischofs Ambro­sius von Mai­land, ent­hält eine Fülle von extra­va­gan­ten Sprach­bil­dern – der ehren­volle Chor der Apos­tel und die lob­wür­dige Zahl der Pro­phe­ten zieht hier vor­über und ebenso das weiß­ge­klei­dete Heer der Mär­ty­rer – und spricht mit Not­wen­dig­keit glei­cher­ma­ßen unmit­tel­bare mensch­li­che Regun­gen an, wel­che dem Men­schen ange­sichts der Größe Got­tes und sei­ner eige­nen Begrenzt­heit ankom­men. All dies ist eine große geis­tige Her­aus­for­de­rung für eine musi­ka­li­sche Aus­ein­an­der­set­zung, der sich mit bei­spiel­haf­ten Wer­ken neben Bruck­ner auch Joseph Haydn, Antonín Dvořák, Giu­seppe Verdi – ganz am Ende sei­nes Lebens – und auch noch Zol­tán Kodály gestellt hat­ten.

Es heißt hin­sicht­lich des Wer­kes des Meis­ters aus St. Flo­rian, die­ses stünde in C‑dur, glei­cher­ma­ßen wie die bei­den Ver­to­nun­gen J. Haydns. Nun: Tat­sa­che ist, dass am Beginn keine Terz erklingt, nur die leere Quint C‑G, lange ange­hal­ten von den Blä­sern und der Orgel – bemer­kens­wer­ter Weise  inte­griert Bruck­ner hier „sein“ Instru­ment in den Chor- und Orches­ter­klang – und mit dem cha­rak­te­ris­ti­schen, das Werk durch­zie­hen­den Osti­nato C‑G-G‑C der Strei­cher umspielt. Keine Rede also von einer Dur­ton­art. Es dau­ert lange, bis zum Takt 164, dass end­lich ein wirk­li­cher C‑dur-Akkord erklingt.

Es ist eine eksta­ti­sche Welt- und Him­mels­schau, Klang wer­dend mit Hilfe  aller mög­li­chen, sich ein­zeln nie ganz zur Gel­tung  brin­gende Ton­ar­ten, die Bruck­ner hier vor­nimmt – unter extre­mer Aus­nut­zung aller Kon­so­nanz- und Dis­so­nanz­mög­lich­kei­ten!. Der kurze mitt­lere Abschnitt „Aeterna fac cum sanc­tis tuis“  mit sei­ner nach­ge­rade pene­trant-insis­tie­ren­den Wie­der­ho­lung einer knap­pen, fast kin­di­schen Flos­kel, steht aller­dings ein­deu­tig in Bruck­ners Lieb­lings­ton­art d‑moll; aber es ist eben er, der  auch hier genug Mög­lich­kei­ten fin­det zu höchst dis­so­nan­ten Akkord­bal­lun­gen im ver­zwei­felt-beschwö­ren­den For­tis­simo von Chor, Orches­ter und Orgel!

Dane­ben gibt es frei­lich und selbst­ver­ständ­lich auch den letzt­lich doch  zurück­hal­tend-zuver­sicht­lich bit­ten­den Anton, der sich sei­ner Got­tes­kind­schaft sicher ist: in den wun­der­ba­ren, von den Solo­stim­men getra­ge­nen Tei­len „Te ergo quaesu­mus“ und „Sal­vum fac popu­lum tuum“, wel­che sich aus zag­haf­tem Dun­kel vor­ar­bei­ten zu einer Lyrik der Gewiss­heit.

Und der Schluss? „In te, Domine spe­ravi – non con­fun­dar in aeter­num“ – „Auf Dich, o Gott habe ich gehofft, in Ewig­keit werde ich nicht zuschan­den wer­den.“ Zuerst spricht dies das Solo­quar­tett, dann der Chor, der dar­auf­hin in F‑dur (!) eine Fuge anstimmt – eine der Art, wie nur Bruck­ner in sei­ner Meis­ter­schaft und der freien Hand­ha­bung der­sel­ben sie schrei­ben konnte – und die bewegt sich dann wie­der durch die ent­fern­tes­ten, immer dis­so­nan­ter wer­den­den tona­len Räume, um auf einem Miss­klang schein­bar zu enden – aber aus­ge­rech­net die­ser gebiert dann – end­lich – den lang­an­hal­ten­den, jubeln­den C‑dur Akkord. Ja, Bruck­ners Glaube geht hier einen abgrün­di­gen und ebenso hoch­flie­gen­den Weg, des­sen Weg­wei­ser glei­cher­ma­ßen auf „Tod“ wie „Leben“  deu­ten und ver­lan­gen, sich selbst in dem, was man Gott gegen­über ist – ein Sün­der ebenso wie des­sen von Ihm geschaf­fe­nen Eben­bild – ehr­lich zu befra­gen und vor eben die­sen Gott hin­zu­stel­len.

Bruck­ners Weg war lange, um eine sol­che Musik schrei­ben zu kön­nen. Lange und immer wie­der hat er, wis­send was im noch fehlt, gelernt. Nach dem aus­gie­bi­gen Kon­tra­punkt- und Har­mo­nie­leh­re­stu­dium bei Simon Sech­ter nahm er – schon als Dom­or­ga­nist in Linz – Unter­richt in  For­men­lehre und Instru­men­ta­tion beim dor­ti­gen Kapell­meis­ter Otto Kitz­ler. Ein höchst umfäng­li­ches Stu­di­en­buch ist da ent­stan­den, ent­hal­ten sind darin ein Streich­quar­tett, eine  f‑moll Sym­pho­nie, tanz­bare Wal­zer und Pol­kas für Kla­vier und eine Ouver­ture in g‑moll. Diese will also eine „Schul­ar­beit“ sein. Bruck­ner hat sich die­ses Kon­vo­lut jedoch auf­ge­ho­ben und so kön­nen wir heute auch klang­lich in diese eigene Welt des Ler­nens ein­drin­gen – eine Welt, in wel­cher zumal Schu­bert und Men­dels­sohn-Bar­tholdy dem Schü­ler als Richt­schnur dien­ten – wahr­lich nicht die Schlech­tes­ten!

Was die Gläu­big­keit Mozarts anbe­langt, so mei­nen viele, dass die­ser viel zu auf­ge­klärt gewe­sen sei, um einer sol­chen beson­dere Bedeu­tung im Leben zu geben. Oft wird dabei auf des Kom­po­nis­ten Mit­glied­schaft bei den Frei­mau­rern ver­wie­sen; nun, abge­se­hen davon, dass sich – zumin­dest damals – Frei­mau­rer­tum und Katho­li­zis­mus durch­aus nicht aus­schlos­sen  – gibt es genug Zeug­nisse für Mozarts Reli­gio­si­tät. So ver­sprach er etwa einen beson­de­ren Rosen­kranz, wenn seine Pari­ser Sym­pho­nie in der fran­zö­si­schen Haupt­stadt Erfolg hätte – und er löste die­ses Gelöb­nis selbst­ver­ständ­lich ein!

Und in sei­ner „Mau­re­ri­schen Trau­er­mu­sik“, kom­po­niert für ein ritu­el­les Geden­ken an ver­stor­bene Logen­brü­der, zitiert er ganz deut­lich eine damals all­ge­mein bekannte gre­go­ria­ni­sche Melo­die, auf wel­che in der Kar­wo­che die „Lamen­ta­tio­nes Jere­miae Pro­phe­tae“  gesun­gen wur­den! Wie bekannt die­ser alte lit­ur­gi­sche Gesang in sei­ner Bedeu­tung war lässt sich daran zei­gen, dass Joseph Haydn in sei­ner „Abschieds­sym­pho­nie“ eben­diese im 3. Satz zitiert, damit dar­auf hin­wei­send, dass er hin­sicht­lich sei­ner vom Fürs­ten aus­ge­beu­te­ten Orches­ter­mit­glie­der nun zu kla­gen anfan­gen muss.

Und Mozarts „Requiem“? Was wäre aus die­sem gewor­den, hätte Wolf­gang Amadé es selbst voll­endet? Läge nicht der Schleier des „Unvoll­ende­ten“ dar­über? In der Tat war es ja ein Auf­trags­werk und sollte mög­lichst rasch voll­endet wer­den. Mozart war für der­glei­chen immer bereit. Und er wusste dann auch, wo er – auf seine Art ver­steht sich – Anlei­hen neh­men konnte; etwa bei G.F. Hän­del, dem der ganze erste Teil samt der Dop­pel­fuge geschul­det ist – und auch hier: wahr­lich nicht der Schlech­teste! Ande­rer­seits kannte er die Topoi, um rasch ein „Dies irae“ oder ein „Rex tre­men­dae“ zu schrei­ben. Dann gibt es aber wie­der das ganz unver­gleich­li­che: „Recordare Jesu pie!“

Dass sich der gewiefte Hof­ka­pell­meis­ter Joseph Leo­pold Eyb­ler  auf Bit­ten von Con­stanze Mozart wei­gerte, das Werk zu voll­enden, zeigt, wie hoch das Niveau ist. Franz Xaver Süß­mayr war dann kei­nes­wegs die „letzte“ Mög­lich­keit, son­dern als Mozarts Sekre­tär ohne­hin der Geeig­netste, um letzte Hand anzu­le­gen und den Torso auf­führ­bar zu machen – uns zum Trost und Gott zum Lob.

Johan­nes Leo­pold Mayer