Samstag, 20.12.2025, 19.30 Uhr
Congress Center Baden
Werke von
W. A. Mozart, A. Vivaldi und G.F. Händel
Cornelia Horak, Cornelia Hübsch – Sopran
Megan Kahts – Alt
Robert Bartneck – Tenor
Wolfgang Bankl – Bass
Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Walter Zeh)
Philharmonisches Orchester Györ
Norbert Pfafflmeyer, Dirigent
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Restkarten an der Abendkasse
Wie klingen die Stimmen der Engel?
Befragt man manch großes Werk der europäischen Musikgeschichte nach dessen Genese, so findet man sich nicht selten mit Gegebenheiten konfrontiert, welche Erstaunen und Erschütterung – durchaus im negativen Sinne gemeint – hervorrufen. Dies ergibt sich nicht aus der Qualität eines solchen Meisterstückes, sondern aufgrund von Gegebenheiten, auf welchen dessen Entstehung beruht.
Solche Gegebenheiten werden von Institutionen und deren Amtsträgern als Bestimmung vorgegeben – unter Berufung auf ein Wissen von Gott, von den Menschen und von der Welt.
Ein bemerkenswertes Beispiel ist Mozarts Marianische Motette „Exsultate jubilate“. Geschrieben hat es der Komponist 1773 quasi bei Gelegenheit in Italien. Den Sänger Venanzio Rauzzini hatte er in seiner eigenen Oper „Lucio Silla“ gehört; nun komponierte er diesem auch ein geistliches Werk auf den Leib. Nur: der Sänger war ein Kastrat. Und gemäß der Lehre der Katholischen Kirche war Kastration eine Todsünde. Aber was sollte ebendiese Kirche denn machen, wenn sie andererseits es den Frauen verbot, in der Kirche zu singen, gemäß der Forderung des Paulus „Mulier taceat in ecclesia“. Noch im 20. Jahrhundert beschäftigte die Vaticanische Kapelle solche „Beschnittenen“.
Es gereicht den österreichischen Ländern zur Ehre, dass dieses Kastratenunwesen hier keineswegs ein solches Ansehen genoss wie in Italien und zumal auch in England. Im Gegenteil: hier haben seit dem Mittelalter die Frauen gemeinsam mit den Männern im Gottesdienst gesungen – gegen die Vorschriften der Kirche. Haydns Esterházysche Hofmusik ist ein beredtes Zeichen. Aber immerhin hatte Vater Haydn die Befürchtung, man wolle seinen Sohn Joseph bei den Sängerknaben wegen der schönen Sopranstimme seiner Mannheit berauben. Sorgenvoll eilte er nach Wien und fragte das Kind: „Tut dir unt’n eh nix weh?“, was der „Sepperl“ zur väterlichen Freude verneinen konnte.
Josephs Bruder Michael war als Salzburger Hof- und Dommusiker mit der Hofsängerin Magdalena Lipp verheiratet und Mozarts Gattin Constanze sang bei des Komponisten Dank an den Lieben Gott für die doch zustande gekommene Hochzeit, die fragmentarische c‑moll-Messe, das schwierige Sopransolo!
Bei allem Bedenken: Wir wollen und dürfen es Mozart selbstredend nicht anlasten, dass er den Ruhm des berühmten Soprankastraten nutzte. Denn welch herrliches Stück ist dabei herausgekommen. Ein Mozart vom Besten. Freudig in den Außensätzen, innigst-fromm im Mittelteil.
Welche Gnade ist Mozart wohl zuteil geworden ist, als er diesen Mittelsatz schrieb – und welche Gnade ist es, wenn wir diese Musik von einer begnadeten Frauenstimme hören dürfen – mit einer Bitte um Frieden, in welcher ein uns erschreckend gewordenes Wort zu seiner ganz gegenteiligen Größe und Würde gelangt ist:
„Tu virginum CORONA,
Tu nobis pacem dona“.
Einigermaßen formeller sind die „Vesperae solennes de confessore“; aber hier musste auch den liturgischen Vorgaben nachgekommen werden, einem feierlichen Gottesdienst an einem Fest eines heiligen Bekenners oder einer heiligen Bekennerin – also eines zur Heiligkeit gelangten Menschen, der sein Leben nicht durch einen Märtyrertod verloren hat. Die Texte dieses vielteiligen liturgischen Gesanges entstammen dem Buch der Psalmen, ergänzt durch das „Magnificat“. Der Text des „Exsultate“ ist im Gegensatz dazu ein „paraliturgischer“, welcher nicht auf Bibeltexten beruht.
Nach seinem Weggang aus Salzburg hat Mozart – mit Ausnahme der erwähnten Hochzeitsmesse – lange Zeit keine liturgische Musik mehr komponiert. Eine phänomenale Ausnahme bildet das in Baden entstandene „Ave verum“. Erst mit dem Requiem-Auftrag und in der Hoffnung, Wiener Domkapellmeister zu werden, fasste er diese musikalische Gattung wieder mehr ins Auge, doch sein Tod ließ nichts mehr verwirklicht werden.
Was sagt man allerdings über einen Priester, welcher nie ein komplettes Messordinarium verfasst hat? Antonio Vivaldi, wegen seiner Haare „il prete rosso = der rote Priester“ genannt, provoziert diese Frage. Sein „Gloria“ ist ein solitäres Monstrum ohne liturgisches Vorher und Nachher. Einige Psalmvertonungen und ein Magnificat sind ein paar weitere vivaldische Beiträge zu musica sacra catholica. Priester war Vivaldi wohl auf Anraten und Drängen seiner Eltern geworden, welche der Ansicht waren, dass ein Geistlicher immer sein Auskommen finden wird; das war allerdings in Venedig nicht mehr der Fall, da offensichtlich zu viele Eltern für ihre Söhne so dachten und damals auf 10–20 Leute ein Priester kam. Wegen Krankheit ließ sich Vivaldi zudem sehr früh von der Zelebrationspflicht befreien. Er reiste dann durch Europa, meist gemeinsam mit der berühmten Sängerin Anna Girò, was selbstredend zu einschlägigen, von beiden nachhaltig zurückgewiesenen Gerüchten geführt hat.
Ist das „Gloria“ dieses immerhin ja doch Geweihten „fromm“? Nun, allenthalben ist es Vivaldi doch ein hörbares und gelungenes Anliegen, zum Lobe Gottes anders, satztechnisch und in der Klanggestaltung ausgefeilter zu komponieren als in seinen unzähligen Concerti. Der weihnachtlichen Freude über die Geburt Jesu und die damit angebrochene Friedenszeit – ach, würden wir das doch glauben – ist das voll und ganz angemessen! So jubilieren die Barockengel und die Menschen stimmen ein.
Was darüber hinausgeht, das ist besondere Gnade, die es auch ermöglicht, im Glauben an diesen Frieden aus Gottes Hand Musik zu schreiben, welche beispielsweise den eigenen konfessionellen Rahmen überschreitet. So tat es der 21jährige evangelisch-lutherische Christ G.F. Händel, welcher während seines Italienaufenthaltes den Auftrag eines – versteht sich katholischen – Kardinals annahm, für das Jahresfest des Karmeliterordens den Psalm CIX (nach der lateinischen Vulgata-Zählung) in Musik zu setzen. Händel, der Auserwählte, schuf ein Spitzenwerk der musica sacra catholica im italienischen Kirchenstil, ohne dabei seine deutsche Herkunft zu verleugnen. Und er, der Lutheraner, dirigierte sein Werk in der römischen Kirche Santa Maria in Montesanto am 16. und 17. Juli 1707.
Von schier unglaublicher, begnadeter Meisterschaft zeugt der Schluss, die ehrenvolle dreipersonale Anrufung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und die gläubige Bestätigung: „Sicut erat in principio…et in saecula saeculorum.“
Das dazu benutzte Fugenthema beginnt mit 9 gleichen Tönen – dem Symbol der Ewigkeit aber gleichermaßen der Potenz der Dreifaltigkeitszahl: 3²!
Wer dies schreibt, das ist ein Mensch, der – biblisch gesprochen – mit seinen Talenten zu wuchern wusste; und die Stimmen, die er in aller Virtuosität klingen lässt – ja, es sind jene von dazu berufenen Menschen und es wird schon so sein, dass Gott diese in einer Weise ans Vollkommene reichende Menschlichkeit mehr erfreut als alle Engelschöre, denn nur Menschen können das Ihre in aller Freiheit „bonae voluntatis“ tun.
Johannes Leopold Mayer


