200 Jahre Johann Strauss: Konzert Tritonus, Baden bei Wien

Sams­tag, 25.10.2025, 19.30 Uhr
Con­gress Cen­ter Baden

Werke von
Johann Strauss (Sohn), Joseph Strauss, J. Offen­bach und Frank Zappa

Ange­lina Igna­tenko – Sopran
Phil­har­mo­nia Chor Wien
Phil­har­mo­ni­sches Orches­ter Györ

Nor­bert Pfaf­fl­meyer, Diri­gent

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Con­gress Cen­ter Baden; Kai­ser Franz Ring 1; 2500 Baden

„Von was was kommt“ – oder das Rät­sel „Strauss“

1842 erschien Adal­bert Stif­ters Erzäh­lung „Die Nar­ren­burg“. Das titel­ge­bende Schloss trägt sei­nen Namen zu Recht, denn durch Gene­ra­tio­nen war es im Besitz von Men­schen abgrün­digs­ter Narr­heit. Einer der her­aus­ra­gends­ten die­ser Kate­go­rie war Pro­ko­pus. Als Hein­rich, des­sen spä­ter Nach­komme und Erbe, zum ers­ten Mal die­ses stei­nerne Monu­ment mensch­li­cher Abwe­gig­kei­ten betritt, beglei­tet vom alten, längst der Welt abhan­den gekom­me­nen Kas­tel­lan Ruprecht, wird er über­wäl­tigt von einem akus­ti­schen Ereig­nis:

„Der Mann (= Ruprecht) wich zurück, und sie tra­ten ein, und in dem sel­ben Augen­bli­cke ging ein fürch­ter­li­cher, ein zärt­lich gewal­ti­ger Ton über ihren Häup­tern durch die Luft. ‚Es ist nur die Geige des Pro­ko­pus‘, sagte Ruprecht, ‚er grüßt euch‘.“

Gegen Ende dann, als durch das Lie­bes- und spä­tere Ehe­paar Hein­rich und Anna die berech­tigte Hoff­nung ent­steht, dass die Narr­heit ange­sichts der Liebe ihr Ende gefun­den hat, lässt Stif­ter noch­mals die­ses selt­same Instru­ment ertö­nen:

„Von dem Par­the­non gin­gen sie durch Obst­gär­ten und abge­stor­bene Fich­ten­haine empor zum Thurme des Pro­ko­pus. Er war leer, nur daß noch Reste von Pos­ta­men­ten zu astro­no­mi­schen Geräthen her­um­stan­den, aber eine rie­sen­hafte Aeols­harfe war von dem Stein­bo­den bis zum Gip­fel gespannt, und ihre Sai­ten wog­ten leise und tief im zar­ten Hau­che der leich­ten Luft, als die Freunde eben davor stan­den, gleich­sam als redete sie jetzt freund­lich zu ihnen, wäh­rend sie unter Tags einen lau­ten, lan­gen Ruf über die Berge gethan.“

Die „Geige des Pro­ko­pus“ ist also eine Aeols­harfe und sie erweist sich hier als ein viel­schich­ti­ges Instru­ment, imstande Men­schen, wel­che ihre wun­der­sa­men Klänge ver­neh­men, ebenso in Schre­cken zu ver­set­zen wie  im Inners­ten zu berüh­ren.

Wenn Stif­ter ein solch geheim­nis­vol­les Instru­ment zum klang­li­chen Ver­mitt­ler zwi­schen den Zei­ten wer­den lässt, so setzt dies vor­aus, dass die Leser und Lese­rin­nen eine Vor­stel­lung davon haben. Inso­fern kann seine Beschrei­bung sol­cher Klang­er­eig­nisse als eine Prae­li­mi­na­rie auch für ein musi­ka­li­sches Kunst­werk aus dem Bereich der popu­lä­ren Musik ange­se­hen wer­den. Das heißt: Sowohl der Kom­po­nist Johann Strauss Sohn, als auch das Publi­kum bei einem Fest – aus­ge­rech­net – für den Feld­mar­schall Radetzky am 17.9.1849 wuss­ten, was es heißt, „Aeols­töne“ erklin­gen zu las­sen und sie zu hören. Und sie erklin­gen. In sei­nen Wal­zern op. 68  eben­die­ses Titels spielt Strauss mit den  Mög­lich­kei­ten, wel­che ihm der Titel ermög­licht und ent­lockt der geheim­nis­vol­len „Harfe“ Töne, wie sie Stif­ter uns gleich­sam vor die lesen­den Ohren führt. Gleich zu Beginn streicht der Wind über einem ver­min­der­ten Akkord durch die Sai­ten, aber er kennt ebenso fei­er­lich modu­lie­rende Blä­ser­ak­korde und pikante Har­mo­ni­sie­rung einer weit aus­schwin­gen­den Melo­die, zu der sich letzt­end­lich über Dis­so­nanz­ket­ten  noch ein zar­ter Kon­tra­punkt der Flöte gesellt.

So erweist sich Johann Strauss Sohn in die­sen Wal­zern als ein gewand­ter Ken­ner und Ver­tre­ter des Gen­res der Sym­pho­ni­schen Dich­tung, deren von Liszt ent­wi­ckel­tes Prin­zip er auf den Wal­zer über­trägt; näm­lich die: im Hören kon­krete Vor­stel­lun­gen bei den Zuhö­ren­den her­vor­zu­ru­fen. Im Gegen­satz zum Groß­meis­ter der Neu­deut­schen Schule, der ja in sei­nen Wer­ken Dra­men und Bal­la­den nach­er­zählt, kon­zen­triert sich Strauss hier auf die Ver­wirk­li­chung eines Ein­dru­ckes, den er im Laufe der Wal­zer­ket­ten gleich­sam ver­schie­den­ar­tig aus­leuch­tet. Im Falle der „Aeols­töne“ bleibt die­ser Ein­druck ein durch­wegs geheim­nis­vol­ler auch in der zum Durch­bruch kom­men­den Freund­lich­keit; die ganze  Melo­dik die­ses Wer­kes erwächst ja eben aus dem Geheim­nis­vol­len sol­cher Klänge.

Es ist wahr­lich von Bedeu­tung,  Klang­vor­stel­lun­gen von Johann Strauss mit sol­chen bei Stif­ter zu ver­we­ben, denn dadurch   zeigt es sich nach­hal­tig, wie sehr es Strauss ver­mochte, für eine bestimmte von ihm beab­sich­tigte musi­ka­li­sche Pro­gramm­idee den jeweils pas­sen­den melo­di­schen und ebenso struk­tu­rel­len Unter­grund zu fin­den. Das heißt, etwas zu ver­an­schau­li­chen, indem es „ver­an­hör­licht“ wird. Pars pro toto gilt dies für einen  gewich­ti­gen Groß­teil sei­ner Kom­po­si­tio­nen, denn zumal in den Auf­trags­wer­ken für die Bälle bestimm­ter – oft­mals ja aka­de­mi­scher  – Berufs­grup­pen – sollte ja etwas zum Klin­gen kom­men, was jene Auf­trag­ge­ber, wel­che dafür gut bezahl­ten, und deren Tun inhalt­lich in  den erkenn­bar klin­gen­den Mit­tel­punkt zu stel­len ver­mochte. Ein Bei­spiel feins­ter Art ist dafür die Wal­zer­folge op. 234 „Acce­le­ra­tio­nen“, 1860  „den Hörern der Tech­nik“ für deren den Ball gewid­met. Johann, wie sein Bru­der Josef alle­mal Absol­vent des berühm­ten „Schot­ten­gym­na­si­ums“ der Bene­dik­ti­ner in Wien und als­dann Hörer der „Kom­mer­zi­el­len Abtei­lung“ des „Poly­tech­ni­schen Insti­tu­tes“, dem Vor­läu­fer der  heu­ti­gen Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät, wusste mit die­sem Begriff selbst­re­dend etwas anzu­fan­gen: „Acce­le­ra­tion“ ist die ste­tig sich erhö­hende Beschleu­ni­gung, para­dig­ma­tisch fest­stell­bar am Freien Fall. Und das kom­po­niert Strauss unnach­ahm­lich und unüber­hör­bar.

Es ist da immer ein spe­zi­fi­sches „G’spür“ bei ihm hör­bar wahr­zu­neh­men. Zumal auch dann, wenn er mit Musik eigent­lich schon bes­tens besetzte „Aktua­li­tä­ten“ für sich zu erobern gedachte; etwa das in Öster­reich sehr inten­siv gefei­erte Namens­fest der Hl. Mut­ter Anna am 26. Juli. Dafür hatte schon Vater Strauss 1842 seine „So sehr beliebte Annen-Polka“ op. 137  kom­po­niert.

Der Sohn getraute sich 1852 mit sei­nem op. 117 ein Glei­ches – und  seine Hom­mage an das Fest der Mut­ter Mari­ens ist – erstaun­li­cher­weise (!?) – das erste sei­ner Werke, wel­ches sich über alle Aktua­li­tät hin­aus bis heute seine berech­tigte Beliebt- und Bekannt­heit erhal­ten  hat.

Dies gilt selbst­ver­ständ­lich auch für den „Wal­zer aller Wal­zer“: „An der schö­nen blauen Donau“. Ja auch die­ser ist ein Werk., wel­ches auf aktu­elle Bege­ben­hei­ten reagiert: Fasching 1867 – jener nach der ver­hee­ren­den  Nie­der­lage Öster­reichs gegen Preu­ßen bei König­grätz / Hra­dec Kralové 1866.

Der Text, den der Haus­dich­ter des Wie­ner Män­ner­ge­sang-Ver­ei­nes, Joseph Weyl, zu Straus­sens Musik ersann, war dem­nach auch kei­nes­falls so dümm­lich, wie oft behaup­tet, son­dern arti­ku­lierte ganz genau die Kater­stim­mung, in wel­cher sich Land und Leute befan­den:

„Wie­ner seid froh!

Oho! Wieso?“

Gab es denn wirk­lich einen Grund dazu? Der musste halt erst durch die Musik des Strauss frei­ge­legt wer­den.

Und je – nun über­haupt und frei­lich, die ganze Strauss-Fami­lie hatte enorm offene Ohren für alles, was da rund um sie zum Klin­gen kam. Nicht umsonst war schon der Vater mit Franz Liszt befreun­det und der Sohn durfte die­sem seine Wal­zer „Abschieds-Rufe“  zueig­nen. In sei­nen Russ­land­som­mern in Paw­lowsk diri­gierte er Musik von Wag­ner und prä­sen­tierte zum ers­ten Male eine Kom­po­si­tion von Tschai­kow­sky, spielte mit sei­nen Kol­le­gen Kla­vier­trios von Schu­bert und Schu­mann, wobei ihm „der kla­gende Ton“ des Letz­te­ren zutiefst ins Herz ging. Er fuhr auch nach Bay­reuth, um dort   Wag­ners „Par­si­fal“ zu hören – wie wird er die­ses Werk wohl emp­fun­den haben – und an Anton Bruck­ner schrieb er, nach­dem er des­sen „VII“. bei deren Erst­auf­füh­rung 1886 in Wien erlebt hatte, ein Tele­gramm mit dem Inhalt: „Bin ganz erschüt­tert – es war einer der größ­ten Ein­drü­cke mei­nes Lebens.“

Im Übri­gen muss hier ver­merkt wer­den, dass alle drei Strauss­brü­der Johann, Joseph und Edu­ard bei damals sehr pro­mi­nen­ten Kir­chen­mu­si­kern ihren Theo­rie­un­ter­richt erhal­ten haben!

Selbst­re­dend stand dem­nach Joseph, von dem der ältere Bru­der ein­mal sagte: „Er ist der Begab­tere, ich halt der Berühm­tere“ – Johann in nichts nach. Er war mit Richard Wag­ner befreun­det  und brachte Aus­züge aus des­sen „Tris­tan und Isolde“-Musik in sei­nem eige­nen Orches­ter­ar­ran­ge­ment in Wien zur Urauf­füh­rung – die hie­sige Hof­oper musste auf­grund der Schwie­rig­kei­ten dies­be­züg­lich nach 70 Pro­ben „die Pat­schen stre­cken.“

Ein beson­ders deli­ka­tes Stück ist Josephs „Moulinet“-Polka op. 57. „Die kleine Mühle“ for­dert mit so schlich­ten wie rei­zen­den Klän­gen zum Tan­zen auf, zur „Mouli­net des Dames“; wel­che Ver­wir­rung da gestif­tet wer­den kann, dies ist in Tho­mas Manns Erzäh­lung  „Tonio Krö­ger“ nach­zu­le­sen.

À pro­pos Ver­wir­rung: für sol­che hat der „Anar­cho­ro­cker“ Frank Zappa allent­hal­ben und immer wie­der gesorgt – mit blei­ben­dem Erfolg. Aber auch er ist einer, der nicht aus dem  Nichts gekom­men ist mit sei­ner gewal­tig schwe­ren Musik. Was für die Sträusse Schu­bert, Wag­ner, Brahms und Bruck­ner waren, das sind dem Ame­ri­ka­ner  Béla Bar­tók, Igor Stra­win­sky und der Radi­kalste der „Wie­ner Schule“, Anton von Webern gewe­sen. Von die­sen ließ er sich zu sei­nen oft ins Extreme gehen­den Klang­ex­pe­ri­men­ten anre­gen.

Was dabei an Unter­schied­lichs­tem her­aus­kommt, das offen­ba­ren die bei­den Titel „Sofa“ und „Echidna’s Arf (for you)“. Der Ers­tere steht – oder liegt klang­lich für sich – der zweite kon­fron­tiert uns mit einem mytho­lo­gi­schen Mons­trum, halb schö­nes Mäd­chen, halb Schlange, nach wel­chem die eng­li­sche Spra­che den See­igel benannt hat.

Bliebe zuletzt und um den Kreis auf Strauss zurück­zu­füh­ren die Frage zu beant­wor­ten, wie es denn um jenen als „Musik­dra­ma­ti­ker“ steht.

Von sei­nen 15 ½ Büh­nen­wer­ken – „Wie­ner Blut“ ist ja keine Neu­kom­po­si­tion, son­dern eine Zusam­men­stel­lung aus Orches­ter­wer­ken – wie viele sind denn heute noch auf der Bühne zu erle­ben? Und ja: mit „Rit­ter Pás­mán“ hatte er sich sogar an eine veri­ta­ble durch­kom­po­nierte Oper gewagt. Deren Erfolg wäre ihm das Höchste gewe­sen, aber es hat nicht sol­len sein. Jac­ques Offen­bach, der Ope­ret­ten­kon­kur­rent, hat es immer­hin mit sei­nes „Con­tes d’Hoffmann“ zu einem dau­er­bren­nen­den Welt­erfolg gebracht.

Soll man dem­nach Straus­sens erste Gat­tin Hen­ri­ette dafür noch heute „bematsch­kern“, dass sie ihn in das Ope­ret­ten­ge­schäft hin­ein­ge­trie­ben hat? Und dass ihm dadurch andere Wege in der Orches­ter­mu­sik nicht mehr gang­bar gewe­sen sind? Das ist viel­leicht ein so deli­ka­ter wie dal­ker­ter Gedanke – und dem­nach soll Richard Wag­ner hier das letzte Wort haben:  „Johann Strauss ist der musi­ka­lischste Schä­del der Gegen­wart. Es leben alle musi­ka­li­schen Genies von Bach bis Johann Strauss!“

Na also!! Und damit ist das „Rät­sel“ Johann Strauss natür­lich nicht gelöst, aber von höchs­ter Stelle bestä­tigt!

Johan­nes Leo­pold Mayer

Foto-Rück­blick

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© Foto­ate­lier Chris­tian Schörg