Tritonus-Feuervogel-Konzert_BadenSams­tag, 11.03.2017, 19.30 Uhr
Con­gress Casino Baden

Feu­er­vo­gel und Paté­tique

I. Stra­win­sky: Der Feu­er­vo­gel (Suite 1919)
A. Boro­din: Polo­wet­zer Tänze aus der Oper „Fürst Igor“
P. I. Tschai­kow­sky: Sym­pho­nie Nr. 6 in H‑Moll op. 74

Brün­ner Phil­har­mo­ni­ker
Nor­bert Pfaf­fl­meyer, Diri­gent

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Direkt: Mo – Sa: 12.00 – 19.00 Uhr Con­gress Casino Baden; (Juli und August Mo – Fr: 12.00 – 18.00 Uhr)

An Ver­an­stal­tungs­ta­gen ist die Abend­kassa bis 20.00 Uhr geöff­net.

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Feu­er­vo­gel und Pathé­tique

Das heu­tige Kon­zert ist der rus­si­schen Musik gewid­met. Den Beginn mar­kiert das erste Bal­lett, das Igor Stra­win­sky für die „Bal­lets rus­ses“, des aus Russ­land stam­men­den Serge Diag­hi­lew in Paris schuf. “Der Feu­er­vo­gel“ ist ein Werk, das im dama­li­gen Paris unge­heu­res Auf­se­hen erregte. Die „Polo­wet­zer Tänze“ aus Alex­an­der Boro­dins „Fürst Igor“ sind eine zün­dende Tanz­ein­lage in die­ser Oper, die, wie keine andere, das auf­kei­mende Natio­nal­be­wusst­sein der Rus­sen beför­derte. Tschai­kow­skys 6. Sym­pho­nie, die „Pathé­tique“ ist wohl außer­halb Russ­lands der Pro­to­typ der rus­si­schen Musik schlecht­hin.

Igor Stra­win­sky war eine zen­trale Gestalt in der Musik des 20. Jahr­hun­derts. Er lebte län­ger, als die meis­ten sei­ner Zeit­ge­nos­sen und ver­fügte über eine stu­pende bis ins Grei­sen­al­ter rei­chende Schöp­fer­kraft. Er ist in der Musik des 20. Jahr­hun­derts ähn­lich Pablo Picasso in der bil­den­den Kunst ein Künst­ler, des­sen Werk über den enge­ren Bereich sei­nes Metiers hin­aus­reichte und eine stän­dige Her­aus­for­de­rung an die intel­lek­tu­elle Welt dar­stellte.

Er wurde am 5. Juni 1882 (nach west­li­cher Zeit­rech­nung 17. Juni) in Ora­ni­en­baum bei St. Peters­burg gebo­ren und wuchs in einer musi­ka­li­schen Umge­bung auf. Sein Vater, Fjo­dor Ignat­je­witsch Stra­win­sky (1843 – 1902) war ers­ter Bas­sist am Marin­skij-Thea­ter. Sein Nach­fol­ger in die­ser Posi­tion wurde Fjo­dor Schal­ja­pin. Lei­der hatte Stra­win­sky in sei­ner Kind­heit nur schlechte Bezie­hun­gen zu sei­nen Eltern. Über die zu sei­nem Vater sagte er spä­ter lapi­dar „durch sei­nen Tod kamen wir uns näher“. Sei­ner Mut­ter „gegen­über gab es für mich ledig­lich „Pflich­ten“ und meine Gefühle kon­zen­trier­ten sich auf Ber­tha, unsere Kin­der­wär­te­rin. Ber­tha stammte aus Ost­preu­ßen und konnte fast kein Rus­sisch, und so war Deutsch die Spra­che mei­ner Kin­der­stube. Sie lebte lange genug, um auch meine eige­nen Kin­der zu pfle­gen. Als sie 1917 in Mor­ges starb, war sie 40 Jahre in unse­rer Fami­lie, ich habe um sie mehr getrau­ert als spä­ter um meine Mut­ter“. Auch sei­nen älte­ren Brü­dern stand er nie nahe, ein­zig zu sei­nem jün­ge­ren Bru­der Gury (1884 – 1917) hatte er eine enge Bezie­hung. „Gury hatte eine Bari­ton­stimme in der Qua­li­tät mei­nes Vaters, aber nicht so tief. Für ihn habe ich meine „Ver­laine-Lie­der“ kom­po­niert“.

Neun­jäh­rig begann Stra­win­sky mit dem Kla­vier­un­ter­richt. Er betrieb die­sen Unter­richt so ernst­haft, dass er bald Lust ver­spürte, zu impro­vi­sie­ren. Diese Impro­vi­sa­tio­nen ver­hal­fen ihm zu bes­se­rem Kla­vier­spiel und zur Rei­fung musi­ka­li­scher Ideen. Die Kla­vier­leh­rer brach­ten ihm die Lite­ra­tur von Haydn, Mozart, Beet­ho­ven, Schu­bert und Schu­mann nahe, Cho­pin war ver­bo­ten und auch sein Inter­esse für Wag­ner wurde negiert, den­noch kannte er die Werke Wag­ners bald aus den Kla­vier­aus­zü­gen. In Niko­lai Rimsky –Kor­sa­kow fand Stra­win­sky einen pro­fun­den Leh­rer, der ihm nach dem Tod des Vaters auch ein ech­ter Vater­er­satz wurde. Sein Tod, 1908, hat Stra­win­sky schwer getrof­fen. Um 1897 ent­stan­den erste Kom­po­si­tio­nen, die, lange ver­schol­len, erst in den Sieb­zi­ger­jah­ren wie­der auf­tau­chen soll­ten. 1901 bis 1905 stu­dierte Stra­win­sky Jura, übte die­sen Beruf aber nie­mals aus. 1906 hei­ra­tete er seine Cou­sine Cathe­rine Nos­senko. Die­ser Ehe ent­spros­sen meh­rere Kin­der. 1908 begann die Zusam­men­ar­beit mit dem Bal­lett­im­pre­sa­rio Serge Diag­hi­lew. Diese Zusam­men­ar­beit, die zu einer ech­ten Freund­schaft der bei­den Män­ner führte, hielt bis zu Diag­hi­lews Tod 1929 und begrün­dete Stra­win­skys Welt­ruhm. Zur Pre­miere sei­nes „Feuervogel“-Balletts in Paris fuhr er erst­mals ins Aus­land.

Seine Hei­mat­stadt St. Peters­burg liebte Stra­win­sky Zeit sei­nes Lebens. „Ich habe oft gedacht, dass die Tat­sa­che, dass ich in einer neo­ita­lie­ni­schen Stadt – nicht in einer rein sla­wi­schen oder ori­en­ta­li­schen – auf­ge­wach­sen bin, zu einem wesent­li­chen Teil für die kul­tu­relle Rich­tung mei­nes spä­te­ren Lebens ver­ant­wort­lich sein muss“. (Stra­win­sky, „Expo­si­ti­ons and Deve­lo­p­ments“, Lon­don 1972). 1914 ver­ließ der Kom­po­nist Russ­land und ließ sich in der Schweiz nie­der.

„Der Feu­er­vo­gel“ war bereits die zweite Arbeit für Diag­hi­lew, nach der Instru­men­tie­rung von Cho­pins „Les Syl­phi­des“. Stra­win­sky erin­nert sich, „ …als ich im Herbst 1909 von Usti­lug nach St. Peters­burg zurück­kehrte, hatte ich bereits begon­nen, über den „Feu­er­vo­gel“ nach­zu­den­ken, obwohl ich mir des Auf­tra­ges noch nicht sicher war – der tat­säch­lich erst im Dezem­ber kam, über einen Monat nach­dem ich mit der Kom­po­si­tion begon­nen hatte…“ Die Kom­po­si­tion des Bal­let­tes war ursprüng­lich Ana­tol Lja­dow ange­bo­ten wor­den, der jedoch nichts des­glei­chen tat. Aus Ter­min­grün­den stellte Stra­win­sky die Arbeit an der Oper „Le ros­si­gnol“ zurück und voll­endete den Feu­er­vo­gel ter­min­ge­recht. In dem Libretto com­posé d’apres le conte natio­nal russe, wie es in der Par­ti­tur heißt, sind zwei rus­si­sche Volks­mär­chen mit­ein­an­der ver­knüpft. Der Stoff war schon mehr­mals zu Opern ver­ar­bei­tet wor­den, vor allem 1902 von Rimsky-Kor­sa­kow, wes­halb Stra­win­sky große Beden­ken wegen sei­ner Ver­traut­heit mit dem Meis­ter hatte. Tat­säch­lich ist Stra­win­skys Musik große Nähe zu Rimsky –Kor­sa­kow zu attes­tie­ren. Stra­win­sky selbst betonte neben der Erwäh­nung Tschaikowsky’scher Ein­flüsse vor allem in sei­ner Har­mo­nik und dem Orches­ter­ko­lo­rit die Nähe zu Rimsky-Kor­sa­kow. Er schrieb wei­ter: „als ich aus den bes­ten Num­mern eine Suite aus­ge­wählt und sie mit Kon­zert­schlüs­sen ver­se­hen hatte, wurde die Musik des „Feu­er­vo­gel“ in ganz Europa gespielt, und bald wurde sie eines der popu­lärs­ten Werke im Orches­ter­re­per­toire.

Alex­an­der Boro­din wurde am 12. Novem­ber (31. Okt.)1833 in St. Peters­burg gebo­ren und starb auch in St. Peters­burg am 27. (15.) Februar 1887. Er war der unehe­li­che Sohn des geor­gi­schen Fürs­ten Luka Ste­pa­no­vic Gedia­now, wurde aber im Geburts­schein als Sohn des leib­ei­ge­nen Kam­mer­die­ners Porf­irij Boro­din ein­ge­tra­gen. 1849 ließ ihn seine Mut­ter für viel Geld aus dem Sta­tus eines Frei­ge­las­se­nen in den Kauf­manns­stand erhe­ben, um ihm sei­nen spä­te­ren Lebens­weg zu erleich­tern. Auf dem Gut sei­nes leib­li­chen Vaters erfuhr Bro­din eine vor­züg­li­che Aus­bil­dung, lernte Fremd­spra­chen, Flöte, Cello und Kla­vier, machte erste Kom­po­si­ti­ons­ver­su­che und wurde in sei­nen natur­wis­sen­schaft­li­chen Inter­es­sen geför­dert. Nach der Absol­vie­rung der Peters­bur­ger medi­zi­nisch-chir­ur­gi­schen Aka­de­mie arbei­tete er als Arzt im Hee­res­la­za­rett, wo er den jun­gen Gar­de­of­fi­zier Modest Mus­sorgsky ken­nen­lernte. Gleich­zei­tig begann er ein Che­mie­stu­dium, das er 1858 mit einer Dis­ser­ta­tion über „Die Ana­lo­gien zwi­schen Arsen und Phos­phat­gif­ten“ abschloss. Nach vier Rei­se­jah­ren, wäh­rend derer er seine spä­tere Frau, die Pia­nis­tin Eka­te­rina Ser­ge­evna Pro­to­po­pova ken­nen­lernte, kehrte er 1862 nach St. Peters­burg zurück und wurde zum Pro­fes­sor für Che­mie an der Medi­zi­nisch-chir­ur­gi­schen Aka­de­mie ernannt. Die­sen Beruf übte er bis zu sei­nem Tod, als er wäh­rend eines Kos­tüm­fes­tes der medi­zi­nisch-chir­ur­gi­schen Aka­de­mie einem Herz­schlag erlag, aus.

Boro­din nahm sei­nen bür­ger­li­chen Beruf und seine gesell­schaft­li­chen Pflich­ten sehr ernst, wes­halb er nur in sei­ner Frei­zeit und wäh­rend der uni­ver­si­tä­ren Som­mer­pau­sen kom­po­nierte. Er beschrieb ein­mal sei­nen inne­ren Zwie­spalt zwi­schen Natur­wis­sen­schaft und Musik wie folgt mit bit­te­rer Iro­nie: „Im Win­ter kann ich nur kom­po­nie­ren, wenn ich so krank bin, dass ich keine Vor­le­sun­gen hal­ten und nicht ins Labo­ra­to­rium gehen, wohl aber mich noch mit etwas beschäf­ti­gen kann. Aus die­sem Grund wün­schen mir meine Kom­po­nis­ten­freunde stets – gegen­über dem übli­chen Brauch – nicht Gesund­heit son­dern Krank­heit.“ Boro­dins Oeu­vre ist daher zah­len­mä­ßig nicht über­mä­ßig groß, umfasst aber doch 3 Sym­pho­nien, Kam­mer­mu­sik, Lie­der, Kla­vier­stü­cke und drei teil­weise unvoll­endete Opern, von denen „Fürst Igor“, die bekann­teste, von Niko­lai Rimsky-Kor­sa­kov und Alex­an­der Gla­sunow voll­endet wurde. Die „Polo­wet­zer Tänze“ aus die­sem Werk sind wohl in der gan­zen Welt bekannt und mach­ten Boro­din welt­weit berühmt.

Peter Iljitsch Tschai­kow­skij wurde am 7. Mai 1840 in Wotinsk, am Ural gebo­ren. Sein Vater war rus­si­scher Inge­nieur, die Mut­ter gebür­tige Fran­zö­sin. Nach­dem er von sei­ner Mut­ter ers­ten Kla­vier­un­ter­richt bekom­men hatte, begann er nach der Über­sied­lung der Fami­lie nach Mos­kau und St. Peters­burg, 1848, mit ernst­haf­tem Kla­vier­un­ter­richt. Nach einem juris­ti­schen Zwi­schen­spiel, er absol­vierte 1859 eine Rechts­schule und wurde dann Ver­wal­tungs­se­kre­tär im Staats­dienst, begann er 1862 am Peters­bur­ger Kon­ser­va­to­rium das Musik­stu­dium bei Niko­lai Zar­emba und Anton Rubin­stein. Nach nur 4 Jah­ren Stu­dium legte er 1866 die Abschluss­prü­fung ab und wurde sofort von Rubin­stein an das Mos­kauer Kon­ser­va­to­rium ver­pflich­tet, wo er 12 Jahre tätig sein sollte. Viele Kom­po­si­tio­nen die­ser Zeit fes­tig­ten sei­nen Ruf in der rus­si­schen Öffent­lich­keit. In Alex­an­der Pusch­kins Erzäh­lung „Eugen One­gin“ fand er nach län­ge­rem Suchen end­lich ein Opern­su­jet, das sei­nem Geschmack ent­sprach. Eine über­stürzt ein­ge­gan­gene Ehe mit einer Schü­le­rin wurde nach weni­gen Mona­ten wie­der geschie­den. Tschai­kow­sky über­lebte in der Folge einen Selbst­mord­ver­such und suchte in einer lan­gen Euro­pa­reise Hei­lung von sei­ner Schwer­mut. In die­ser Zeit beginnt seine pla­to­ni­sche Bezie­hung zu Nadeshda von Meck, einer rei­chen Witwe, Musik­lieb­ha­be­rin und Ver­eh­re­rin des Meis­ters, die ihm schließ­lich eine jähr­li­che Rente von 6000 Rubel aus­setzte, durch die Tschai­kow­sky von jeg­li­cher Sorge um das täg­li­che Leben befreit war. Die Jahre nach der Lehr­tä­tig­keit in Mos­kau bis 1885 ver­brachte der Meis­ter sehr arbeits­in­ten­siv und auf Rei­sen, wobei er oft die Som­mer auf einem der Meck’schen Güter lebte, ohne deren Her­rin jemals zu sehen. Hier wid­mete er sich unge­stört sei­ner kom­po­si­to­ri­schen Arbeit. Im Som­mer 1885 bezog er sein Haus in Mai­dowo, sein ers­tes Haus am Lande. Tschai­kow­sky war oft als Diri­gent eige­ner Werke auf Kon­zert­rei­sen und befand sich sehr oft in Paris, da sein dor­ti­ger Ver­le­ger seine Werke unge­mein för­derte. 1891 bereiste der Meis­ter Nord­ame­rika, 1892 voll­endete er das Bal­lett „Der Nuß­kna­cker“ und das Streich­sextett „Sou­ve­nir de Flo­rence“. Das fol­gende Jahr war für Tschai­kow­sky beson­ders ereig­nis­reich: nach einer gro­ßen Kon­zert­reise (Brüs­sel – Odessa – Mos­kau – Char­kow) erhielt er in Cam­bridge die Ehren­dok­tor­würde , kom­po­nierte das 3. Kla­vier­kon­zert und die letzte Sym­pho­nie, die „Pathé­tique“, deren Urauf­füh­rung er Ende Okto­ber in St. Peters­burg diri­gierte. Er wohnte bei sei­nem Bru­der Modest, dem er am 3. Novem­ber klagte, sich schlecht zu füh­len, am 6. Novem­ber erlag er der Cho­lera.

Tschai­kow­skys letzte, sechste Sym­pho­nie, die „Pathé­tique“, wobei der Titel von des Meis­ters Bru­der stammt, dem er seine aus­drück­li­che Zustim­mung erteilte, ent­stand in sei­nem Todes­jahr. Für die Skiz­zen brauchte der Meis­ter 12 Tage, für die Instru­men­tie­rung benö­tigte er 4 Wochen, die Erst­auf­füh­rung diri­gierte er am 28 Okto­ber 1893, neun Tage bevor er der Cho­lera erlag. Wäh­rend der Instru­men­tie­rung schrieb Tschai­kow­sky „Ich glaube, dass sich die Sin­fo­nie als eine der bes­ten von mei­nen Kom­po­si­tio­nen erwei­sen wird“, wenig spä­ter „Ich liebe sie, wie ich nie zuvor auch nur eine ein­zige von mei­nen Schöp­fun­gen geliebt habe“.

In der Publi­kums­gunst steht die „Pathé­tique“ unter all sei­nen Wer­ken obenan. Ihre Auf­füh­rungs­zah­len rei­chen fast an die der „Schick­sals­sym­pho­nie“ (Nr. 5) von Beet­ho­ven oder Schu­berts „Unvoll­endete“ heran.

Dr. Alfred Wil­lan­der