Tritonus-Konzert-Baden-Russische-SeeleSamstag, 12.03.2016, 19.30 Uhr
Congress Casino Baden

Die russische Seele

Mikhail Glinka: Ouvertüre zur Oper „Ruslan und Ludmilla“
Sergei Rachmaninow: Klavierkonzert Nr. 2 in c-moll; op. 18
Peter I. Tschaikowsky: Symphonie Nr. 4 in f-moll; op. 36

Klavier: Magda Amara
Martinu Philharmonie Zlin
Dirigent: Norbert Pfafflmeyer

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Die russische Seele

Die drei Komponisten des heutigen Konzertes illustrieren die Entwicklung der russischen Musik in vorzüglicher Weise. Als sich nach den napoleonischen Kriegen die einzelnen Nationen ihrer Eigenständigkeit bewusst wurden und dies auch in den Hirnen der kulturellen Eliten auf fruchtbaren Boden fiel, entstanden nationale Strömungen, die durch nichts mehr aufgehalten werden konnten. Natürlich versuchten konservative Kreise, vor allem der Adel der einzelnen Länder, die Musiktradition der klassischen Musik aufrecht zu erhalten, aber die neue Strömung war nicht mehr auf zu halten. Die Komponisten besannen sich der Wurzeln ihrer heimatlichen Klänge, hörten auf die im Volk gepflegten Gesänge und Tänze und verstanden es, diese in ihre Kompositionen einfließen zu lassen. Ein früher Vorkämpfer dieser Arbeitsweise war Joseph Haydn, der die Volkswaisen seiner niederösterreichisch-burgenländischen Heimat aufnahm und teilweise sogar wörtlich übernahm ( die Tenorarie „Mit Würd’ und Hoheit angetan…“ aus der „Schöpfung“, geht auf das bodenständige Volkslied „Es lahnt mei Maderl an an Bam…“ zurück.

Nach Michail Glinka, dessen Oper „Ein Leben für den Zaren“ als Beginn einer russischen Nationaloper angesehen wird, waren die Hauptvertreter der nationalen russischen Musik Peter Iljitsch Tschaikowsky, Modest Mussorgsky und Nikolai Rimsky-Korsakow. Der international gefeierte Pianist und Komponist Sergej Rachmaninow bildet das Bindeglied zwischen Glinka und dieser „russischen Schule“.

Mikhail Glinka wurde am 1. Juni 1804 in Nowospasskoje, (bei Smolensk) als Sohn des adeligen Landbesitzers Ivan Nikolaevic Glinka und der Evgenija Andreevna geboren. Seine Jugend verbrachte er unter der Aufsicht seiner Großmutter auf dem väterlichen Gut, wo er nur Kirchenglocken und den liturgischen Gesang in der Kirche als musikalische Eindrücke empfing. Erst ein Besuch bei einem Onkel in der Nachbarschaft, der ein eigenes Orchester aus Leibeigenen hielt, brachte dem 11jährigen das Hörerlebnis eines Klarinettenquintettes, das Glinka in seiner kurzen autobiographischen Skizze als Schlüsselerlebnis bezeichnen sollte. Von nun an wollte er Musiker werden, suchte musikalischen Unterricht und wurde 1817 nach St. Petersburg an das neu gegründete Adels-Internat geschickt. Dort konnte er bei hervorragenden Pädagogen sechs Fremdsprachen lernen und erhielt von hervorragenden Musikern Privatunterricht in Klavier und Geige.

Im Jahr 1824 trat er eine Beamtenstelle in St. Petersburg an, die ihm ohne viel Arbeit ein regelmäßiges Einkommen garantierte. Bereits 1828 quittiert er diese Stelle, um nach einigen Monaten der Untätigkeit auf Gut Nowospasskoje auf Reisen zu gehen. Eine vierjährige Reise führte ihn über Deutschland, wo er Beethovens Fidelio und Cherubinis Médée kennen lernte, nach Italien. In Mailand erlebte er die Premièren von Donizettis „Anna Bolena“ und Bellinis „La sonnambula“ und lernte auch die beiden Komponisten kennen. Auf der Weiterreise nach Neapel lernte er in Rom Hector Berlioz kennen, mit dem ihn später eine dauerhafte Freundschaft verbinden sollte. Auf der Rückreise von Italien über Wien – auch ein kurzer Kuraufenthalt in Baden im Jahre 1833 ist verbürgt – machte Glinka in Berlin länger Station, um Tonsatzstudien bei S. Dehn zu betreiben. Eine Ehe mit Marija Petrovna Ivanova hält nur ein Jahr.

Seit seiner Rückkehr aus Berlin trug sich Glinka mit dem Gedanken, eine Oper zu schreiben. Er nannte seinen Erstling eine „vaterländische heroisch-tragische Oper“ auf einen Text des Sekretärs des Thronfolgers „Ivan Susanin“. Im Zusammenhang mit der Widmung an den Zaren wurde der Titel in „Ein Leben für den Zaren“ abgeändert, die Uraufführung am 9.Dezember 1836 in St. Petersburg etablierte Glinka als Russlands führenden Komponisten. Seine zweite Oper nach einer Vorlage von Puschkin wurde „Ruslan und Ludmilla“, deren Uraufführung exakt sechs Jahre nach dem Erstling nicht so erfolgreich verlief. Glinka kehrte in der Folge seinem Vaterland den Rücken und reiste nach Paris, wo er die Freundschaft zu Berlioz wieder aufnehmen konnte. Es entstanden einige Gelegenheitswerke. Mit seinem spanischen Sekretär kehrte er für einige Jahre auf sein Gut in Novospasskoje zurück, um nach neun Jahren erneut nach Paris zu gehen. Auf einer weiteren Reise nach Paris bleibt er in Berlin um erneut bei S. Dehn zu studieren, welches Vorhaben durch seinen plötzlichen Tod am 15. Februar 1857 ein Ende fand.

Sergej Rachmaninow entstammt einer höchst musikalischen russischen Gutsbesitzerfamilie und wurde am 1. April 1873 auf dem Landgut Semenovo /südlich des Ilmensees) geboren. Schon sein Großvater war als Amateurpianist und –komponist von Romanzen und Klavierstücken eine regionale Größe. Sergej erhielt ab 1880 professionellen Klavierunterricht. Des Vaters fehlender Geschäftssinn und der aufwendige Lebensstil der Familie führte zum Ruin und dem Verkauf sämtlicher Güter.

Die Familie übersiedelte nach St. Petersburg. Als auch noch die Ehe der Eltern zerbrach verfiel Rachmaninow in ein Trauma, das ihn lange Zeit beeinträchtigen sollte. Seine Studienleistungen in den Nebenfächern wurden schlecht und er ging schließlich ans Moskauer Konservatorium zu Nicolai Sergeevic Zvetev, bei dem er wohnen konnte und der auch seine gesamte Erziehung übernahm. Unter diesem positiven Einfluß entwickelte er sich zu einem kultivierten und diszipliniert arbeitenden Musiker ohne Allüren. 1888 begann er Kompositionsstudien bei Taneev und auch ernsthaft zu komponieren. Nach einem Zerwürfnis mit Zvetev fand er Aufnahme im Haus einer Tante, deren Tochter Natalja Satina er 1902 heiraten sollte.

Auf dem Landsitz der Familie Satin, den er 1910 übernahm entstanden die meisten seiner in Russland entstandenen Kompositionen. Rachmaninow beendete seine Studien am Konservatorium (Klavier und Komposition) vorzeitig mit höchsten Auszeichnungen und der Goldmedaille des Konservatoriums, die bis dahin nur zwei Mal verliehen worden war. 1893 wurde seine Examensarbeit „Aleko“ am Bolschoitheater aufgeführt und brachte ihm Berühmtheit und die Zusammenarbeit mit dem Verleger Alexander Gutheil. Nach einer sehr erfolgreichen Russlandtournee mit der Geigerin T. Tua wurde er als Dirigent an die Privatoper Mamontovs engagiert. Mit dem 2. Klavierkonzert erlebte Rachmaninow den internationalen Durchbruch (1901/02). Die Familiengründung und die Festanstellung am Bolschoitheater1904/05 sowie die Leitung mehrerer Symphoniekonzerte stabilisierten Rachmaninows innere und äußere Existenz. Es begann eine internationale Karriere, er wurde ständiger Dirigent der Moskauer philharmonischen Gesellschaft. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges wurden Konzertreisen immer seltener, im Jänner 1917 war sein letzter Auftritt als Dirigent. Durch die Revolution verlor Rachmaninow seine Ersparnisse und das Landgut und so nutzte er eine Konzerteinladung nach Schweden, mit seiner Familie Russland für immer zu verlassen.

Ende 1918 begann für ihn eine phänomenale pianistische Karriere in Amerika, die ihn zu einem der berühmtesten und reichsten Musiker der Zwischenkriegszeit werden ließ, sein Lebensstil blieb aber unspektakulär auf russische Sitten ausgerichtet. Er lehnte Rundfunk und gesendete Liveauftritte ab, widmete aber größte Aufmerksamkeit und Akribie seinen zahlreichen Plattenaufnahmen. Ab 1922 konzertierte Rachmaninow wieder in Europa, er bezog sogar 1934 bis 1939 eine Villa am Vierwaldstättersee, von wo aus seine zahlreichen Tourneen begannen. Nach Kriegsausbruch zogen die Rachmaninows wieder in die USA, erst nach New York und Long Island und ab 1942 nach Beverly Hills, wo er 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm . Er erlag am 28.März 1943 seinem Lungenkrebs.

Das 2. Klavierkonzert in c-moll, op. 18, das den internationalen Durchbruch des jungen Komponisten gebracht hatte, ist, wie die meisten großen Werke des Meisters, in moll gehalten. Rachmaninows Stil zeigt die typisch russische elegische Thematik, die spätromantische Farbigkeit und die virtuose Behandlung des Solopartes rücken das Konzert in die Nähe des Grieg’schen Klavierkonzertes, wobei natürlich nicht vergessen werden darf, dass sich Rachmaninow selbst als Solist besonders hervorheben wollte.

Pjotr (Peter) Iljitsch Tschaikowsky ist den Besuchern der „Tritonus“-Konzerte kein Unbekannter mehr. Er wurde als Sohn eines russischen Ingenieurs und einer französischstämmigen Mutter am 7. Mai 1840 in Wotkinsk geboren. Studierte, nach anfänglichem Jusstudium, an den Konservatorien von St. Petersburg und Moskau unter anderen bei den Brüdern Anton und Nikolai Rubinstein und wurde schließlich 1866 von Nikolai Rubinstein als Musiktheorie-Lehrer an das Moskauer Konservatorium berufen. In dieser Lehrtätigkeit verblieb er bis 1878. Als Komponist und Dirigent eigener Werke konnte er sich in diesen Jahren bereits öffentliches Ansehen erwerben.

Nach einer nur wenige Wochen dauernden Ehe floh er vor seiner Schwermütigkeit in eine lange Europareise. Gerade in dieser Zeit begann seine rein platonische Freundschaft mit der reichen Witwe Nadeshda von Meck, die ihm eine jährliche Rente von 6000 Rubel aussetzte, wodurch er finanzieller Sorgen enthoben war. Für beide Partner dieser Freundschaft galt das größte Interesse, einander niemals persönlich zu begegnen, obwohl der Künstler etwa in Florenz nahe dem Hause seiner Gönnerin wohnte, oder des Öfteren die Sommer auf einem der Güter derselben verbrachte. Tschaikowsky sah in Frau von Meck eher eine Mutterfigur, als er ihr einmal, per Zufall, während einer Spazierfahrt plötzlich gegenübersteht, wechseln die beiden kein Wort.

Die Jahre bis 1885 verbrachte er sehr arbeitsintensiv und auf Reisen, sehr oft in Paris. 1885 bezog Tschaikowsky sein Haus in Maidanowo, sein erstes Landhaus, in dem er sich die meiste Zeit seiner Arbeit widmete, unterbrochen durch Paris-Reisen, da sein dortiger Verleger Mackar, der die französischen Rechte für seine Werke erworben hatte, seine Musik ungemein förderte. Er ist immer öfter als Dirigent eigener Werke auf ausgedehnten Konzertreisen. 1890 teilt ihm Frau von Meck mit, daß sie schwer erkrankt sei, nicht mehr aufzukommen glaubte und daher die Freundschaft beenden müsse. Der Meister vergräbt sich in seine Arbeit und komponiert in der kurzen Zeit von 31. Jänner bis 20. April die ganze Oper „Pique Dame“. Er ist nun schon so anerkannt und auch als Dirigent eigener Werke so berühmt, dass ihn der finanzielle Ausfall der Meck’schen Rente nicht sehr beunruhigt.

Im Jahr 1891 geht Tschaikowsky auf große Amerikareise und besucht New York, Philadelphia und Baltimore. In diesem Jahr erscheint der Einakter „Jolanthe“, im Jahr darauf vollendet er das Ballett „Der Nussknacker“ und das Streichsextett „Souvenir de Florence“. 1893 ist ein besonders ereignisreiches Jahr. Tschaikowsky dirigiert in Brüssel, Odessa, Moskau und Charkow, erhält in Cambridge die „Ehrendoktorwürde und komponiert nicht nur das dritte Klavierkonzert sondern auch die 6. Symphonie, die „Pathetische“. Er dirigiert Ende Oktober die Uraufführung der letzten Symphonie in St. Petersburg . Am 3. November klagt er seinem Bruder, bei dem er Quartier genommen hatte, sich schlecht zu fühlen und erliegt bereits am 6. November der Cholera.

Die 4. Symphonie in f-moll, op.36 entstand 1878 und wurde durch Nikolai Rubinstein in Moskau mit mäßigem Erfolg uraufgeführt. Sie setzte sich erst spät als reifes, stimmungs- und phantasievolles Werk durch. Ihr natürlicher Reichtum an eingängiger Melodik, die Eleganz und Farbigkeit der Musiksprache und die manchmal leidenschaftlich lärmende Instrumentation tun das ihre dazu, diesem Werk immer wieder zum Triumph zu verhelfen. Besonders der dritte Satz, das „Pizzicato-Scherzo“ ist bemerkenswert. Tschaikowsky schreibt darüber an Frau von Meck, die Widmungsträgerin dieses Werkes: „Ich komponiere niemals abstrakt, das heißt, die musikalische Idee in mir erscheint niemals anders als eingebettet in ihre eigene äußere Form. In dieser Weise erfinde ich die musikalische Idee zu gleicher Zeit mit ihrer Instrumentation. Infolgedessen, als ich das Scherzo unserer Sinfonie schrieb, schwebte es mir gerade in der Gestalt, in welcher Sie es gehört haben, vor. Anders ist das Scherzo undenkbar und unvorstellbar, als eben pizzicato ausgeführt. Wenn es mit dem Bogenstrich ausgeführt wird, verliert es alles. Es wird eine Seele ohne Körper…“

Dr. Alfred Willander